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30 Jahre Nordthüringer Lebenshilfe gGmbH - Die Chemie muss stimmen - Die Ambulanten Dienste

Montag, 28. Juni 2021, 12:58 Uhr

Was hinter der stolzen Fassade des ehemaligen Kaufhaus Magnet in der Nordhäuser Bahnhofstraße alles für Menschen mit Behinderungen oder Förderbedarf geschieht, fällt auf den ersten Blick gar nicht auf. In dem großen Haus haben die Ambulanten Dienste der Nordthüringer Lebenshilfe gGmbH gemeinsam ihre Basis gefunden. Die Interdisziplinäre Frühförderstelle IFF, der Familien Entlastende Dienst FED, die Beratungsstelle „Mittendrin“ und ein ambulanter Pflegedienst arbeiten unter einem Dach. Stück für Stück wurden die Bereiche hier angesiedelt und erweitert. Sie ergänzen sich und erlauben kurze Wege.
„Menschen mit Behinderungen werden staatlicherseits ermutigt ihr Leben selbständig zu leben“, erklärt die Leiterin der Beratungsstelle „Mittendrin“ Jana Lenz den wachsenden Bedarf. Der Ambulante Dienst entwickelt entsprechende Konzepte zur Unterstützung in vielen Lebensbereichen.

Da gibt es beispielsweise den
FED - Familien Entlastender Dienst
„Familien, die behinderte Angehörige, egal welchen Alters, zu Hause pflegen, sind froh die einzigartige familiäre Struktur erhalten zu können“, erklärt der Koordinator des Familien Entlastenden Dienstes FED Torsten Rieschel. Doch Pflege sei bei allen schönen Momenten sehr intensiv. Durch den FED können die Familienmitglieder einer Arbeit nachgehen, finden Zeit für sich selbst, ihre Partnerschaft oder Geschwisterkinder. Was 1994 klein startete, umfasst heute 165 Familien mit zu Betreuenden aller Altersklassen. 11 Mitarbeitende und 10 Ehrenamtliche sind aktuell im FED aktiv. Die Unterstützung der Klienten Zuhause ist der eine, die sozialen Kontakte sowie eine Teilhabe am Leben, der andere gesetzlich verankerte Schwerpunkt der Arbeit. Welche Freude der monatliche Freizeitkalender des ambulanten Dienstes mit Ausflügen, Konzert- und Diskofahrten auslösen kann, erzählt Torsten Rieschel. „Heute hatte ich Spaß!“, dieser Satz, lässt ihn seit Jahren nicht los. Er sei mit einer Gruppe beim Traktorfest in Sundhausen gewesen. Kurz vor der Abfahrt habe sich ein Mann noch einmal umgedreht, eine Hand vom Rollator genommen, die Faust in die Luft gereckt und begeistert ausgerufen: „Heute hatte ich Spaß!“
ABW – Ambulant Betreutes Wohnen
Auch Menschen mit Behinderung, die selbständig wohnen, aber stundenweise Unterstützung benötigen, erhalten in der Bahnhofstraße Hilfe. Der ABW – das Ambulant Betreute Wohnen ist hier zuständig. Dienste wie Einkaufshilfe, Ermutigung im Gespräch, Behördengänge, Arztbegleitung mit Übersetzung der Diagnose und der eventuell notwendigen Therapie oder Medikation, sind an der Tagesordnung.
Alles begann 1996 mit 3 Geschwistern, die heute noch begleitet werden. 3 von heute knapp 100 Personen in der Woche. „Dieses Vertrauen funktioniert nur, wenn die Chemie zwischen Klient und Betreuer stimmt“, ist der Koordinator Torsten Rieschel überzeugt. „Nur dann schaffen wir es, geduldig Hilfe zur Selbsthilfe zu geben“, ergänzt Jana Lenz.
Dabei sind die sozialen Kontakte oft eine Baustelle der Betreuten. „Im Rahmen unseres Freizeitangebotes sind wir vor Corona mit 40 Personen bowlen gegangen“, blickt Torsten Rieschel zurück und hofft sehr, dass das bald alles wieder möglich ist und bleibt. Die Vereinsamung seiner Klienten in dieser Zeit macht ihm zu schaffen.

Der neueste Bereich in diesem Haus ist die Ambulante Pflege.
„Seit wir zur Lebenshilfe gehören, betreuen wir mehr Menschen mit Behinderungen“, erzählt die Leiterin Judith Baierl. Das sei für Sie und ihre Mitarbeiterinnen zunächst etwas Neues gewesen. „Aber es ist ein sehr dankbarer Dienst“, fügt sie lächelnd hinzu. Erst im April 2019 kam der Pflegedienst mit den 11 quietschgrünen Autos zur Nordthüringer Lebenshilfe gGmbH dazu. Seither werden 140 Klienten regelmäßig zu Hause betreut und 169 Beratungsgespräche in Punkto Pflegegrad geführt. 17 Gesundheits- und Krankenpfleger, Altenpfleger, heilerzieherische Pfleger, inklusive der Wundexpertin, Haushaltshilfen und der Alltagsbegleiterin sind im Dienst. Das Besondere ihrer Arbeit als Teil der Lebenshilfe ist, dass sie mit den Ambulanten Diensten im Team arbeiten. „Wir übernehmen die Pflege und der ABW fördert die Selbständigkeit“, erläutert Baierl das Konzept. Das ergänze sich hervorragend.
Als wirklich tragisch hat sie noch den 1. Lockdown der Werkstätten in Erinnerung. Als die schließen mussten, brachen die sozialen Kontakte der Behinderten weg. Ihr Team sei dann öfter rausgefahren, um ein bisschen gegen die Einsamkeit zu kämpfen. „Das war bitter“, erinnert sich die Leiterin schmerzlich. Einmal mehr war da entscheidend, dass es feste Stammschwestern gibt und nicht jeden Tag ein neues Gesicht hinter der Maske durch die Tür kam. Sie ist froh, dass sich die Situation gerade verbessert.
Regina Englert
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