Meldung

Einer, der Wunder erlebt hat - Pfr. Jochen Lenz zieht heimwärts

Donnerstag, 13. Juni 2024, 11:59 Uhr
Pfarrer Jochen Lenz  (Foto: Regina Englert) Pfarrer Jochen Lenz (Foto: Regina Englert)
(re) Seit 25 Jahren ist Pfarrer Jochen Lenz im Kirchenkreis Südharz unterwegs. Nun stehen die Umzugskartons vor dem Pfarrhaus in Ellrich. Ab 1. August findet man ihn im Pfarrdienst in Gernsbach (Baden-Württemberg). Pfarrer Gregor Heimrich wird den Vertretungsdienst übernehmen. Warum geht man nach so langer Zeit und dann so weit fort? „Niemand denkt ans Älterwerden, und niemand denkt daran, dass die eigenen Eltern älter werden und Unterstützung brauchen, bis es dann soweit ist“, erklärt der Pfarrer die Situation. Er ist froh, dass seine junge Familie diesen Weg ohne Zögern mit ihm geht.

Alles auf Anfang

Einst der Liebe wegen aus der badischen Heimat gekommen, geht er nun dorthin zurück. Im Kirchenkreis startete er seinen Dienst damals in Neustadt, war später Jugendreferent. Sechs Jahre in denen er nicht selten morgens um 6 Uhr am Schreibtisch saß, Ordner mit Tipps für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gestaltete oder Freizeiten plante. Vernetzung war von Beginn an sein Thema, damals mit den Trägern der Jugendarbeit bis heute in Ellrich. Es folgten 12 Jahre im Pfarrbereich Großwechsungen. „Dort ist beim Joggen auch die Idee des Wandermarathons geboren worden“, erinnert sich Lenz. Und nun ist er fast 6 Jahre im Pfarrbereich Ellrich unterwegs.
Kann man die beiden Pfarrbereiche vergleichen? „Ja“, meint der Pfarrer. Ähnlich wie in Großwechsungen bestehe Ellrich aus sieben unterschiedlichen „Geschwistern“, denen es wichtig ist, in ihrem eigenen Profil, also in ihren eigenen Begabungen und Stärken und Besonderheiten wahrgenommen zu werden. „Der Grundgedanke: Alle sind besonders und mir gleich lieb und wichtig, hat mich auf vielen Wegen immer wieder zu den Menschen gebracht“, erläutert er. Nach der Entdeckung des Besonderen folgte die Suche nach dem Gemeinsamen im Pfarrbereich.

„Ich bin aufgebrochen, um hier Menschen zu suchen. Gefunden habe ich Freunde“, blickt Lenz dankbar zurück.

Die Gemeinden zeigten eine freundliche Offenheit, ja Gelassenheit im Umgang mit neuen Ideen, die er in die Dörfer trug, erklärt er. Die Ideen seien aus der gemeinsamen Beobachtung gewachsen, dass sich die Kirche nach wie vor im Umbruch und im schweren Fahrwasser befinde. „Die Zahl der Ehrenamtlichen, die sich kontinuierlich vor Ort für ihre Kirche engagieren, ist deutlich geschrumpft, während zu einzelnen Projekten aber immer wieder engagierte Menschen gefunden werden können“, beobachtet der Pfarrer.

Das Wunder von Ellrich

Als er nach Ellrich kam, gab es bereits den Netzwerkgedanken und eine Gruppe engagierter Menschen aus Kirche, Vereinen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die seit Jahren ein neues Modell von Kirche zu leben versuchten. „Da durfte ich mithelfen, mich freuen über den umwerfenden Mach-dich-ran Sieg, durfte das Wunder erleben, als Bodo Ramelow gleich mehrfach kam, um Mittel ehemaliger DDR-Organisationen bereitzustellen, damit die Johanniskirche in Ellrich zur Netzwerkkirche umgebaut werden konnte und sich nun bald auch wieder die Türme an der Johanniskirche erheben werden“, listet er beeindruckt auf. Er spreche bewusst von einem Wunder, denn das Sich-Fügen dieser Möglichkeiten und der richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sei alles andere als selbstverständlich.
Ellrich - viele Menschen kennen noch das Leben im ehemaligen Sperrgebiet. „Das war immer wieder Thema in Gesprächen und Lebensläufen und das Leben an der früheren deutschdeutschen Grenze prägt einige ältere Menschen bis heute“, resümiert Jochen Lenz. Erkennbar mache sich das in einer Zurückhaltung, wenn es um das lautstarke Äußern einer Meinung gehe. Er habe lernen müssen zwischen den Zeilen zu lesen.

Über die Menschen, die er kennenlernen durfte, lassen wir ihn hier gern persönlich zu Wort kommen:

Lieber Pfarrer Jochen Lenz, was nimmst du mit aus der Zeit im Südharz?
Zuallererst die Erinnerung an die Menschen hier: Ihre liebevolle, manchmal eigensinnige, manchmal stolze, manchmal tieftraurige am Ende immer zugewandte Art; ihr Erzählen, das oft genug einen tiefen und ungeschützten Einblick in Herz und Seele ermöglicht; ihren herrlichen, oft trockenen Humor und manche Dialektsplitter, zum Beispiel: „Des werd sich ussjewiese“, oder das Großwechsunger Aufstöhnen: „Es äss so sehre.“ Ich nehme die Menschen mit, die bei weitem nicht alle in der Kirche sind, aber gemeinsam Suchende im Leben und im kulturellen und gesellschaftlichen Kontext. Dann aber auch die wunderbare Natur hier am Rande des Südharzes. Die Weite der Felder und die Berge, die mit ihrer Steilheit überraschen und wunderbare Ausblicke ermöglichen.
(Anmerkung der Redaktion: Eine liebevollere Empfehlung für die Menschen und den Dienst im Kirchenkreis Südharz kann man kaum abgeben.)

Welche Kooperationen sind in Ellrich wichtig?
In Ellrich und den umliegenden Gemeinden wird immer das Zusammenspiel und die Zusammenarbeit aller entscheidend sein: Kirche ist ein Teil einer Stadt- und Dorfgemeinschaft, und so wird es hier auch gelebt. Die Verbindungen zu den Kommunen und Vereinen, zur Feuerwehr etc. sind notwendige Voraussetzungen, um kirchliches Leben im Kontext zu gestalten und zu leben.

Was möchtest du den Gemeinden mit auf den Weg geben?
Besinnt euch darauf, was ihr schon alles gemacht habt und wozu ihr in der Lage seid. Wartet nicht darauf, dass irgendwer kommt und alles für Euch macht. Gott hat sich seine Welt mit vielen Händen und Ideen gedacht. Bleibt menschlich und gastfreundlich, in der Kraft des Glaubens und des Segens mit ganz viel Liebe zu Gott, seiner Welt und den Menschen.

Warum sollte man als Pfarrer*in nach Ellrich kommen?
Weil hier eine Kirche spürbar im Aufbruch, im Wandel ist und die richtigen Menschen am richtigen Ort für das Projekt Netzwerkkirche zu finden sind. Das ist unendlich spannend!

Was hättest du hier gern noch ausprobiert? Gibt es noch offenen Stellen auf deiner To-Do-Liste?
Einen Schreibtisch, der leergeräumt ist, gibt es nicht. Es bleibt vieles offen, es bleibt vieles möglich. Gerne hätte ich die Gemeinden hier in ihre Zukunft als Netzwerk-Pfarrbereich mit tollen Schwerpunkten noch ein paar Jahre begleitet – und einige Ideen mitgestaltet. Gerne hätte ich die Entstehung der Türme in Ellrich weiterverfolgt. Aber das meiste, was wir tun, liegt zum Glück in Gottes Händen und nicht in unseren eigenen. Was hier werden soll, wird sein, das hängt nicht an einem Menschlein wie mir. Diese Grundhaltung einer guten Demut schadet niemandem, auch mir nicht. Was noch offen bleibt, sind manche versprochenen Gespräche und Begegnungen. Alle, denen ich etwas schuldig geblieben bin oder die ich durch meine Art und Worte (meist unwissentlich) verletzt habe, bitte ich freundlich um Vergebung.

Danke, lieber Jochen Lenz, für diese Einblicke in 25 Pfarrdienst im Kirchenkreis Südharz. Bleib behütet auf all deinen neuen Wegen.

Am 23. Juni verabschieden wir Pfarrer Jochen Lenz um 14.00 Uhr in der St.-Johannis-Kirche in Ellrich
zum Überblick
Wir verwenden Cookies um die Zugriffe auf unsere Website zu analysieren und geben hierzu Informationen zu Ihrer Nutzung unserer Website an Partner weiter. Mehr Informationen hierzu finden Sie im Impressum und der Datenschutzerklärung.