Meldung

Ein Abend in Blau-Gelb - anlässlich des Jahrestages des Angriffs auf die Ukraine

Freitag, 24. Februar 2023, 20:41 Uhr

Friedengebet in der Frauenbergkirche - mit Blick über die Gemeinde
(re) Ein Abend voller Emotionen - das war für mich und viele andere der Abend in der Frauenbergkirche anlässlich des Jahrestages des Angriffs auf die Ukraine. Mit zahlreichen Ukrainerinnen und Ukrainern, mit Friedensgebet samt Landesbischof Kramer und Superintendent Andreas Schwarze, bewegenden musikalischen Darbietungen, einer eindrücklichen Gedichtrezitation, einer laut mittickenden Gedenkminute, schmerzvollen Bildern des Krieges, einem Kerzenmeer und einem kraftvollen Slava Ukraini - eine Kirche mit Menschen voller Wunden und Widerstandskraft. Voller Sehnsucht nach der Heimat, nach Frieden und den geliebten Menschen. Eine Kirche voller Narben, wie es später hieß - Narben, die die Bilder des Erlebten in den Kriegsopfern der Ukraine - in den Menschen - zurücklassen, für immer.
Die ukrainische Gemeinde hatte den Abend "Der Februar, der nicht endet" genannt. Begonnen wurde mit dem Friedensgebet, wobei die Fürbitten zweisprachig vorgetragen wurden. Im Anschluss folgten wir der Einladung der ukrainischen Gemeinde zu einem zweiten Teil des Abends, den sie selbst gestaltet haben. Auch, wenn viele wohl die deutschen Worte Friedrich Kramers nicht verstanden, so sahen sie doch das Entzünden der vielen Kerzen durch den Landesbischof und den Superintendenten. Am Abend sollte noch eine große Zahl an Grablichtern folgen - aufgestellt in erster Linie von Kindern und Frauen. Die Plüschtiere, die vor der Kirche neben den Kerzen abgelegt wurden, lassen uns den Schmerz dahinter nur erahnen.

Nina Stasenko und Oleksii Tananaiko - ihre Stimme bricht langsam

Wie anders ist es, wenn man die Bilder des Krieges in den Nachrichten sieht, sie erschüttern, bedrücken, machen wütend, doch dann werden sie wieder überdeckt von der nächsten Meldung. Wir können umschalten, wegklicken - die Ukrainer können das nicht. Kopf und Herz sind ständig auf Empfang, es geht um ihre Liebsten, ihre Heimat. Sie haben an diesem Abend Bilder gezeigt, die wir so in unseren Medien nicht zu sehen bekommen. Wenn man Seite an Seite mit ihnen sitzt, ihre Tränen sieht und den kleinen Kindern in die Augen schaut, die Hoffnung auf Frieden und die Sehnsucht nach der Heimat spürt, dann kommt das auch für uns alles ganz nah. Man sitzt neben Menschen, die genau aus diesen Kriegsgebieten kommen, die diese Bilder nicht mehr los werden, die diese Bilder als ihre immerwährenden Narben bezeichnen, dann weint das eigene Herz mit. Ist dann noch ein junger Geiger zu sehen und zu hören, dessen Instrument seine Gefühle spiegelt, fließen unwillkürlich Tränen. Gern hätte ich sie alle umarmt und still mit ihnen geweint.

Oleksii Tananaiko

Zu Anfang des ukrainischen Teils des Abends erklang die Nationalhymne, alle standen, teils die Hand auf dem Herzen – die Fahnen ihrer Heimat um die Schultern.

Als Oleksander Shylin seine Geige weinen lässt und die Kriegsbilder im Hintergrund laufen, fließen Tränen

Dann sang eine junge Frau mit Gitarrenbegleitung - Nina Stasenko und Oleksii Tananaiko. Ihre zuerst kraftvolle Stimme wurde mit jedem Ton schwächer, bis sie brach. Tränen liefen über ihr Gesicht, sie setzte ein paar Takte aus und dann war er plötzlich spürbar, dieser unbändige Wille....sie fasste sich und sang, klar und laut und schön. Sie hatte sich aus dem Tal herausgekämpft, wollte weitermachen auch für ihre Landsleute, ihre Familie. Hinterher wurde sie von ihrer Mutter in den Arm genommen. Umsorgt und wiederaufgerichtet. Sie schien wie ein Spiegelbild all dessen, was sich in der Ukraine seit einem Jahr ereignet.
Und dann konnte ich sie später doch noch umarmen. Sie sah mich an und sagte: "Du hast die Fotos gemacht von Karíbu, ich habe gesungen!" Sie zeigte mir den Mitschnitt der Nachrichtensendung des Benefizkonzerts für die Opfer der Erdbebenkatastrophe auf ihrem Handy, in dem sie auch zu sehen war. Seit 7 Monaten ist Nina Teil des Gospelchores des Kirchenkreises. Eine Nachbarin hat sie einfach mit zu den Proben genommen. Und dann nahmen wir uns noch einmal in die Arme. Ein ganz kleines bisschen kennen wir uns ja jetzt schon....Ich würde ihr gern einmal in einem weniger traurigen Moment begegnen.

Olena Androsova und die Gemeinde stimmt am Ende ein

Die Frauenbergkirche hatte sich im Lauf des Abends immer mehr gefüllt. Die Stühle reichten längst nicht. Viele ukrainische Familien sind mit ihren Kindern gekommen. Kleine schliefen auf den Armen ihrer Mütter. Nach dem Friedensgebet gingen einige mit dem Gebet im Herzen in die Stille des Abends. Andere kamen dann erst in die Kirche, um bei ihrer ukrainischen Gemeinde zu sein, sie hatten das Gebet nicht stören wollen, hatten vorher Kerzen vor der Kirche entzündet.
Von Herzen Dank allen, die diesen Abend mit schweren Herzen gestaltet haben. Dank auch der Kirchengemeinde, die den Ort dazu bot und uns alle willkommen hieß.

Familie Androsova - vier Frauen - die Männer, Väter, Söhne.....?

Mehr zu diesem Abend finden Sie unter den Videos und als Bildunterschriften.
Regina Englert
Hier auch der Link zum Beitrag von Kristin Müller in der Thüringer Allgemeinen - sie hat den ganzen Abend in der Frauenbergkirche begleitet und viele Gespräche geführt. "Es war gut, Sie dabei zu wissen, liebe Frau Müller!"
https://www.thueringer-allgemeine.de/regionen/nordhausen
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