Meldung

Bericht des Superintendenten auf der Herbsttagung der Kreissynode 2022

Montag, 07. November 2022, 05:00 Uhr
„Wer aufbricht, der kann hoffen“
(K.-P. Hertzsch, EG 395,3)


Hohe Synode,
wertes Präsidium,
liebe Schwestern und Brüder,

„Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist“, mit diesen Worten beginnt ein vertrautes und gern gesungenes Lied des inzwischen verstorbenen Jenaer Professors für Praktische Theologie Klaus-Peter Hertzsch. Mit diesem Lied hat er bis heute einen Hoffnungsfunken aufleuchten lassen, der immer wieder Menschen ansteckt und in Bewegung bringt. Biblische Hoffnungsmomente in ausweglosen Zeiten richten den Blick auf Gottes segensreiches Tun. Der Regenbogen markiert das Ende der Flut und die Erneuerung des Bundes zwischen Gott und den Menschen. Der Auszug aus Ägypten ist der Aufbruch in Gottes Raum und Zeit. Beides – das werden wir morgen in den Gottesdiensten hören und feiern – ist schon jetzt und hier eingewobene Hoffnung in unserer zerbrechlichen Wirklichkeit.

„Wer aufbricht, der kann hoffen“, ermutigt uns Klaus-Peter Hertzsch. Und wer es nicht tut? Wer nicht aufbricht, wer nicht losgeht – innerlich oder äußerlich – darf sich nicht wundern, wenn Stagnation einsetzt und man nur noch auf der Stelle tritt, wenn Räume eng und Chancen klein werden. Oft hören oder sagen wir den Satz: „Es soll alles so bleiben wie es war.“ Das ist der verständliche Wunsch nach Kontinuität, nach verlässlichen Strukturen und vertrauten Formen. Die Erfahrung ist eine andere: Die Welt um uns dreht sich weiter, die Zeit schreibt die Geschichten, auch die eigene Lebensgeschichte, fort. Veränderung ist eine alltägliche Erfahrung und macht auch vor unseren Kirchen und Gemeinden nicht Halt.

Voller Erstaunen habe ich die Rückmeldungen aus den Gemeinden wahrgenommen, wie viele Menschen sich im Ehrenamt an welchen Stellen einbringen. Der Stellenplanausschuss hatte mit Blick auf einen ehrenamtlichen Stellenplan danach gefragt. Und doch höre ich zugleich von den Grenzerfahrungen des Ehrenamtes, verbunden mit der Frage: „Was sollen wir denn noch alles tun?“

Ich stelle mir einen Richtungswechsel in der Fragestellung vor und lade Sie, liebe Schwestern und Brüder, ausdrücklich dazu ein. Die Leitfrage sollte sein: „Wofür sind wir als Gemeinde vor Ort und zusammen mit anderen in der Region da?“ Zu dieser Frage sind Sie eingeladen nachzudenken in dem Strategiespiel 2035. Wofür, für wen, wieso wollen Sie Kirche vor Ort sein? Und dann verbindet sich der Auftrag mit den Möglichkeiten: Was brauchen wir dafür an Personal und Finanzen. Welche kirchlichen Räume stehen uns zur Verfügung? Was haben wir für Gaben und Begabungen in unserer Gemeinde?

Ausdrücklich sind Sie dazu eingeladen, über den eigenen Kirchturm hinaus ins Weite zu schauen: zu den Nachbarkirchen in Ihrem Pfarrbereich, zu den Nachbarpfarrbereichen in Ihrer Region. Das ist der Beziehungsraum untereinander, in dem Sie mit Ihren Gemeinden Kirche sind.
Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir Beziehungs- und Kooperationsräume erkunden und öffnen, Arbeitsbereiche gezielt gestalten und gegebenenfalls auch zusammenlegen. Die regionale Ebene ist eine Verantwortungsgemeinschaft von Kirchengemeinden. Nicht jeder muss alles tun, aber alle gemeinsam gestalten Kirche. So bleibt die Kirche nicht nur im Ort, sie bleibt vor allem nah dran an den Menschen. Dabei geht es nicht allein um die Frage, was wir so alles tun könnten. Es geht auch darum herauszufinden, was wir in Zukunft lassen oder anders machen.

Bisher haben wir das weit weggeschoben. Doch mit Blick auf den Stellenplan 2035, die ausstehende Gebäudekonzeption für den Kirchenkreis und die enger werdenden Förderungen z.B. in Baufragen drängen uns zu guten Ideen und Lösungen. Mit den Nachbarkirchenkreisen Bad Frankenhausen-Sondershausen und Mühlhausen über einen gemeinsamen Kirchenkreis „Nordthüringen“ nachzudenken, ist das eine. Das geht aber nicht ohne auch den Blick nach innen zu wenden und die Beziehungsebenen, die Verantwortungsgemeinschaft zu stärken. Dazu hat die Kreissynode die Bildung erweiterter Regionalkonvente unter der Beteiligung Ehrenamtlicher angeregt. Begleitet wird dieser Prozess jüngst auch in anderer Weise. Die Runde der Vorsitzenden unserer kreissynodalen Ausschüsse bilden miteinander eine Lenkungsgruppe für Gespräche mit Prof. Dr. Steffen Dörhöfer von der Hochschule Nordhausen. Der sich andeutende Veränderungsprozess braucht weiter Hilfe und Begleitung. In den Zukunftswerkstätten haben wir 2018 und 2019 frischen Wind gespürt. Die – auch durch die Corona-Pandemie bedingte – eingesetzte Flaute hat uns schon fast wieder zum Stillstand gebracht.

„Wer aufbricht, der kann hoffen“. Im Jahr 2017 sind wir mit dem Jubiläum 500 Jahre Reformation aufgebrochen. Ecclesia semper reformanda – die Kirche ist immer wieder gehalten, neue Formen zu finden und zugleich die Wurzeln des Glaubens nicht aus dem Blick zu verlieren. In diesem Jahr ist es 500 Jahre her, dass Martin Luther das Neue Testament auf der Wartburg übersetzte und in Nordhausen gedachten wir der ersten evangelischen Predigt vor 500 Jahren von Pfarrer Lorenz Süße. Nun ist das Reformationsjubiläum nicht nur Grund zum Feiern, sondern vor allem ein immerwährender Denkanstoß für die Herausforderungen unserer Zeit.

Sorge bereitet uns der anhaltende Mitgliederschwund. Im Zuge des Stellenplans haben wir einen Rückgang von 2 bis 2,5% angenommen. Tatsächlich gibt es bis zu 4% Rückgang in einzelnen Bereichen. Die Prognose wurde im negativen Sinne übertroffen. Menschen treten aus den unterschiedlichsten Gründen aus der Kirche aus; die beiden häufigsten sind Kirchensteuer und Relevanzverlust. Junge Menschen lassen ihre Kinder nicht mehr taufen, weil sie mit Kirche nichts mehr anfangen können. Umso wichtiger ist dieser Ort, die Herzschlag Jugendkirche Nordhausen, als ein Ort, an dem junge Menschen ihre eigenen Erfahrungen mit Gott machen können, unter Gleichaltrigen und in ihren Sprach- und Denkmustern.

Nach den beiden Jahren 2020 und 2021 mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie hält uns nun in diesem Jahr der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine in Atem. Wir haben unsere Herzen und kirchlichen Räume geöffnet für Menschen auf der Flucht vor Bomben und Kriegsgeschrei. Nun spüren wir die Folgen des Krieges auch bei uns durch die Preisanstiege. Der Kreiskirchenrat hat mit seiner Handreichung zum Umgang mit Energiekosten einen Leitfaden beschlossen, der sich an unserer Landeskirche orientiert. Manche erschrecken, wenn es nur noch einen Gottesdienst im Pfarrbereich geben soll. Meine Bitte: schauen Sie in Ihren Gemeinden nach der Realität und dem Aufwand. Wenn drei oder vier Menschen am Sonntag in einem geheizten Gemeinderaum sitzen, dann können sich diese Menschen doch auch bei jemanden zu Hause als eine Form der Hauskreise treffen. Die Erfahrung aus der Corona-Zeit nehmen wir mit: Andachten in Briefkästen oder als WhatsApp-Nachricht für zu Hause. Überlegen Sie miteinander, wie Sie das vor Ort gestalten können und wollen.

Eine gute Austauschrunde über diese und andere Erfahrungen bildet die Zusammenkunft der Vorsitzenden der Gemeindekirchenräte. Ein solches Treffen fand zwei Mal in diesem Jahr statt: im Frühjahr als große Runde hier in der Jugendkirche und im Herbst in den vier Regionen. Das Thema „Umsatzsteuer“ hat uns dabei beschäftigt und im Herbst auch das schon angesprochene Strategiespiel 2035. Bitte spielen Sie es und schicken Sie Ihre Beobachtungen an die Superintendentur zurück. Die Ideen werden gesammelt und fließen ein in die Überlegungen für den Stellenplan 2035.

Hohe Synode,
wertes Präsidium,
liebe Schwestern und Brüder,

„Wer aufbricht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit. Die Tore stehen offen. Das Land ist hell und weit.“ Drei wegweisende Sätze am Ende eines bewegenden Liedes. Es wird an uns liegen, wie wir diese Weite füllen und welche Schritte wir gehen. In all dieser Bewegung vertrauen wir darauf, dass wir nicht alleine unterwegs sind, sondern Gott mit uns geht. Um das zu sehen, braucht es die Behutsamkeit für Gott und die Aufmerksamkeit auf das, was er uns sagt: im Gebet, in der Gemeinschaft, im Feiern von Gottesdiensten, im Unterwegssein. Beten und Tun gehören für Dietrich Bonhoeffer eng zusammen. Tun ohne Beten ist blinder Aktionismus. Beten ohne Tun ist scheinheilig. Beten und Tun gehören untrennbar zusammen und führen in das Dritte, das Bonhoeffer anführt: Warten auf Gottes Zeit. Das ist kein vertrödeltes Warten, sondern eine aktive Gestaltung dessen, was uns aufgetragen ist. Dazu schenke uns Gott seinen Segen!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Andreas Schwarze
Superintendent
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