Meldung

Wort zum Reformationstag - Aus aktuellem Anlass

Montag, 01. November 2021, 08:33 Uhr
Von Andreas Schwarze, Superintendent
und Klemens Müller, Pfarrer

Eine Kirche wird ausgeräumt. Fein säuberlich werden die Stühle und Gesangbücher nach draußen ins Freie getragen und dort in Reihe sortiert. Es sieht nach einem verspäteten Frühjahrsputz oder nach anstehenden Reparaturarbeiten aus. Weder noch ist der Fall. Später wird im Polizeibericht stehen, dass der Ausräumer randaliert hat. Das war jedoch nach derzeitigem Stand der Dinge nicht sein Anliegen. Allerdings gingen tatsächlich Gegenstände und eine Vitrine zu Bruch. Er wollte nach eigenen Angaben das Gotteshaus von dem befreien, was nach seiner Vorstellung dort nicht hineingehört. Er ist gläubiger Muslime und kommt aus Afghanistan. Seine Heimat hat er bereits 2015 verlassen. Was ihn ausgerechnet jetzt dazu bewogen hat, die Kirche am Nordhäuser Frauenberg leer zu räumen, bleibt im Dunkel. Für uns alle ist klar: das macht man einfach nicht – Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung – und es ist nicht das erste Fehlverhalten einem Gotteshaus und einer einladenden Gemeinde gegenüber.
Unter den zerbrochenen Gegenständen ist das mittelalterliche Kruzifix. Es hat den Bombenangriff auf die Kirche überlebt und stand seit jeher auch als Zeichen der Verletzlichkeit. Nun ist es verletzt, empfindlich sogar und die Gemeinde in ihrer Gastfreundschaft ist es auch.
Eine solche Tat regt in mehrfacher Hinsicht zum Nachdenken an. Wie viel Anfechtung und Infragestellung halten wir aus? Welche Antworten haben wir darauf? Wovon lassen wir uns in unseren Antworten leiten? Es ist erschreckend, mit wie viel Hass und rassistischen Äußerungen Menschen sich zu Wort melden. Die Nächstenliebe, zu der uns Jesus auffordert, hat hier eine Reformation dringend nötig.
Mit Blick auf den Reformationstag ist auch zu fragen, ob nicht in unseren Vorstellungen und religiösen Vollzügen Gegenstände oder Gewohnheiten herausgeräumt werden müssen, weil sie uns den Blick auf Jesus Christus verstellen. Dazu gehört aus unserer Sicht auf jeden Fall eine pauschale Verurteilung einer Volksgruppe, wie es in diesem Zusammenhang durch unseren Landrat in der Darstellung der nnz-online anklingt. Wir kennen viele Menschen aus Afghanistan und anderen Ländern, die mit Dankbarkeit mitten unter uns leben.
Eine Kernaussage der Reformation ist: der Mensch ist vor Gott nicht gerechtfertigt durch sein Tun, sondern allein aus Gnade. Nicht die Tat macht den Menschen aus, sondern die Annahme, dass Gottes Gnade in gleicher Weise allen Menschen gilt. Indem, was wir in der Kirche am Frauenberg erlebt haben, sind wir herausgefordert, diese Zusage nicht aus dem Blick zu verlieren. Aufmerksam und geduldig, aber auch Grenzen aufzeigend, arbeiten wir an Wegen des Miteinanders in einer pluralen Welt.


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