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Herz über Kopf

Sonntag, 19. August 2018, 05:20 Uhr
In einem Nordhäuser Supermarkt an der Kasse. Eine kleine Schlange hat sich gebildet, es dauert. Mein neunjähriger Sohn langweilt sich. Vor uns wartet ein junger Mann: dunkle Haut, dunkle Haare, dunkle Lederjacke. Er spricht offensichtlich kaum Deutsch, denn er beginnt mit meinem Sohn ein Gespräch mit Gesten und Mimik. Die beiden überbrücken das Warten mit Faxen. Eine Frau hinter uns zieht demonstrativ eine Augenbraue hoch. Was sie wohl denkt? Gleich ist der junge Mann dran mit dem Bezahlen, er beugt sich über das Band und greift nach einem Schokoriegel, legt ihn zu seiner Cola, die Kassiererin reicht ihm die Schachtel Zigaretten, auf die er zeigt. Er zahlt, macht eine Abschiedsgeste und legt plötzlich meinem Sohn im Gehen den Schokoriegel in die Hand. Schnell ist er weg und winkt noch einmal von Ferne. „Danke“, ruft mein Sohn laut, dann schaut er mich mit großen Augen an. Die Verkäuferin lächelt. Die Frau hinter uns schaut weg.

„Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“, heißt es in der Bibel (1. Samuel 16,7).

Ob wir Menschen es nicht auch schaffen könnten, mehr auf das Herz der anderen zu schauen und mehr mit unserem Herzen zu sehen, bei Fremden, wie auch bei Freunden? Keine leichte Übung, aber eine gute: Meine Mitmenschen mit dem Herzen anblicken und nicht durch die Brille meiner Vorurteile. Und falls Ihnen das jetzt bekannt vorkommt, dann haben Sie es möglicherweise schon vom „Kleinen Prinzen“ des Schriftstellers (und Berufspiloten) Antoine de Saint-Exupéry gelernt: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“.

Jana Lenz
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